Sie sind hier: Andacht der Woche  

50/2022
 

So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht.

Matthäus 20,26–27

Wir leben in unübersichtlichen und unsicheren Zeiten. Die Coronapandemie des vergangenen Jahres hat offengelegt, wie leicht unser Wohlstand und unsere Lebensweise zu erschüttern sind. Es muss nur ein unbekanntes, hoch infektiöses Virus auftauchen, und ganze Kontinente fahren zeitweise ihr wirtschaftliches und öffentliches Leben herunter, um dadurch die Ausbreitung einzudämmen.

Die Coronazeit ist nur ein Beispiel dafür, wie Unsicherheit auf uns wirkt. Bereits vorher haben gesellschaftliche Entwicklungen Ängste und Befürchtungen hervorgerufen. Passende Schlagworte sind die Globalisierung, die Digitalisierung und die damit verbundenen Umbrüche in der Arbeitswelt, die Begegnung mit immer mehr Kulturen, Religionen, Identitäten und Lebensstilen. Hier versprechen „starke Männer“ in der Politik Abhilfe – sie
geben einfache Antworten auf komplizierte Fragen und wollen die Probleme durch „Machtworte“ und autoritäre Entscheidungen lösen.

Auch die Israeliten zur Zeit Jesu sehnten bessere Zeiten herbei. Sie erwarteten, dass der verheißene Messias ein „starker Mann“ sei, der sie von der römischen Fremdherrschaft befreien und sich selbst zum König ausrufen würde. Doch Jesus war völlig anders. Schon die Umstände seiner Geburt waren nicht königlich. Statt einer Armee scharte er eine Gruppe von Schülern (Jüngern) um sich, denen er durch Worte und Taten die Prinzipien seiner Königsherrschaft verdeutlichte. Anders als gedacht verkündete er: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ (Joh 18,36) Sein Selbstverständnis beschrieb er im Kontext des heutigen
Bibeltextes so: „Wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.“ (Mt 20,28) Seine Größe und Stärke liegen in seiner Selbsterniedrigung.

Nach seiner Hinrichtung – am Kreuz, wie ein Verbrecher – und seiner Auferstehung beauftragte er die Jünger, das Kommen seines Reiches zu verkünden. Das gilt bis heute. Dabei ist Jesus das Vorbild, das uns zeigt, was es heißt, in Gottes Augen stark und groß zu sein: indem man sein Ego zurücknimmt und anderen dient!

Thomas Lobitz


© Advent-Verlag Lüneburg



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