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39/2022
 

Lass ab vom Bösen und tue Gutes; suche Frieden und jage ihm nach!

Psalm 34,15

Ist der Friede auf der Flucht, sodass man ihm nachjagen muss? Wenn ja, wo findet er Unterschlupf? Wo ist sein Zuhause? Und wer jagt ihm nach?

Deutlich ist: Frieden hat etwas Flüchtiges an sich, er ist fragil und verletzlich. In Mitteleuropa leben wir zwar seit nunmehr 75 Jahren in einem Miteinander ohne Krieg. Doch bereits der Blick auf die Länder des Balkans zeigt, dass dies ein besonderes Geschenk ist. In der Vergangenheit gab es zum Beispiel den Kalten Krieg und die Aufrüstungsdebatten der 50er- und 80er-Jahre. Es ist nicht automatisch Friede, wenn kein Krieg herrscht. Zum Frieden gehört einiges mehr. Um ihn zu finden und auch zu bewahren, braucht es sehr viel Kraft und Ausdauer.

Auch das andere Verb im Satz des Psalmdichters David verweist auf den flüchtigen Charakter von Frieden. Wir sollen ihn suchen. Das Wort meint im Hebräischen ein zielstrebiges Drängen, etwas zu erreichen zu suchen. An beiden Verben – suchen und nachjagen – wird klar: Frieden ist kein Zustand, der, einmal erreicht, für immer Bestand hat. Frieden steht nicht zur freien Verfügung wie eine Ware im Supermarkt. Frieden geschieht
und Friede wird – im Hier und Jetzt. Er leuchtet auf und geht wieder verloren, wenn er nicht ergriffen wird. Frieden ist ein lebendiger Prozess, der unser engagiertes Handeln braucht. Mit Gottes Hilfe können wir das schaffen.

Wie das konkret geht, sagt der Beter des 34. Psalms direkt vor dem oben genannten Satz: „Behüte deine Zunge vor Bösem und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden.“ Nach Frieden zu trachten und zu jagen beginnt mit dem, was ich sage. Oh ja, das kennen wir aus jedem Streit. Ein falsches Wort – und der Friede ist fort, um die Ecke und zur Türe hinaus. Dass er bleibt, dazu braucht es, dass ich besonders auf das achte, was ich sage. Es benötigt eine friedliche Grundhaltung, die bewusst Gutes und Verlässliches redet. So wie Martin Luther das achte Gebot erklärt: „Wir sollen ... unsern Nächsten ... entschuldigen, Gutes von ihm
reden und alles zum Besten kehren.“

Es kommt auf jeden Einzelnen an, dass Friede wird. Denn wenn die Worte verrohen, ist es nicht weit zu Gewalt. Wer seine Worte nicht beherrschen kann, kann bald auch sich selbst nicht mehr beherrschen. Jesus ist uns auch hierbei ein Vorbild.

Horst Jenne


© Advent-Verlag Lüneburg



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