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35/2022
 

Dann wieder sah ich, wie viele Menschen auf dieser Welt ausgebeutet werden. Die Unterdrückten vergießen bittere Tränen, doch niemand tröstet sie. Keiner hilft ihnen, weil ihre Unterdrücker so mächtig sind.

Prediger 4,1 (Hoffnung für alle)

Als 18-Jähriger nahm ich in meinem Heimatdorf an einer außergewöhnlichen Einwohnerversammlung teil. Zwei ehrenwerte Männer aus dem Ort hatten in ihrem Betrieb immer wieder einmal einen politischen Witz erzählt und keinen Hehl daraus gemacht, keine Freunde der Partei zu sein. Eines Tages rückte der Sicherheitsdienst an und holte sie ab. Sie wurden zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Unter den Leuten im Dorf rumorte es hinter vorgehaltener Hand. Selbst den eifrigsten Parteigenossen gingen die Argumente aus. So war es dem Staatsanwalt vorbehalten, öffentlich zu erklären, warum es notwendig sei, dem
„Klassenfeind“ entschieden entgegenzutreten. Dabei lobte er auch den inzwischen bekannten Denunzianten. Keiner traute sich, im dicht gefüllten Wirtshaussaal dem Unrecht offen zu widersprechen.

Unzählige Menschen erleben bis heute Unrecht. Kinder werden missbraucht, Frauen vergewaltigt und Unschuldige eingesperrt. Andere werden vertrieben, verfolgt, ausgeraubt oder umgebracht. Die Unrechtsliste könnte gigantisch erweitert werden. Und das Umfeld ist oft hilflos oder schaut weg.

Was können wir angesichts des millionenfachen Unrechts tun? Ich kenne eine Frau in unserer Gemeinde, die regelmäßig Protestkarten schreibt, wenn sie von inhaftierten Christen in anderen Ländern erfährt. Tatsächlich kommen Einzelne bei entsprechendem öffentlichem Protest frei. Allein deshalb lohnt es sich, seine Stimme zu erheben. Es gibt eine beachtliche Anzahl von Organisationen, die versuchen, die Folgen des Unrechts abzufedern. Sie finanziell zu unterstützen kann ein Weg sein.

Allerdings werden alle Bemühungen, Unrecht zu begegnen, nur Stückwerk bleiben. Das Unrecht in dieser Welt wird erst verschwinden, wenn Gottes neue Welt anbricht. Beten wir darum, dass dieser göttliche Neuanfang bald kommt. Bis dahin wollen wir das tun, was möglich ist. Mutige und Entschlossene sind gefragt, die Unrecht nah und fern ächten und
Betroffenen beistehen. Jesus lag es am Herzen, sich diesem Personenkreis anzunehmen. So sollten es seine Nachfolger auch tun, so gut sie können.

Wilfried Krause


© Advent-Verlag Lüneburg



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