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06/2019
 

Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.

Johannes 4,12
„Niemand hat Gott jemals gesehen“ – das ist doch ein ungewöhnlicher Bibeltext. Geht es in der Bibel nicht darum, Gott zu beschreiben? Warum sagt Johannes, ein guter Freund von Jesus, dass niemand Gott je gesehen hat? Stimmt das? Heißt das, wir können doch nichts von Gott wissen?

Johannes hat recht: Niemand sollte sich einbilden, Gott gesehen, komplett betrachtet oder gar „begriffen“ zu haben. Gott ist kein Exponat im Museum, wo wir Eintritt zahlen, hingehen und ein Foto machen können. Trotz aller Gottesoffenbarungen und Gottesbegegnungen bleibt Gott ein Geheimnis. Wo ist Gott? Johannes stellt diese Frage in den Raum und erklärt anschließend, wie wir Gott im Alltag finden können. Wo Gott ist? In der Liebe!
Doch was ist Liebe? Vielleicht können wir uns diesem großen Geheimnis mit folgender Formel annähern: Liebe = Respekt + Vertrauen + Geduld.

Wenn wir von Gott als der Liebe sprechen, dann drückt sich seine Liebe durch Respekt vor unseren Entscheidungen, Vertrauen in unsere Fähigkeiten und sehr viel Geduld mit uns aus.
Wenn wir an Beziehungen zu anderen Menschen denken, ist genau das gefragt: Respekt vor den Meinungen und Gefühlen des anderen, mehr Vertrauen zu zeigen als Misstrauen und viel Geduld, weil niemand perfekt ist.

„Wenn wir einander lieben …“ ist dabei nicht als Bedingung zu verstehen, sondern bedeutet, dass wir an einem bestimmten Merkmal erkennen können, dass es Gott gibt. In der Liebe
untereinander spiegelt sich nämlich die Liebe Gottes zu uns wider. Oder etwas vorsichtiger formuliert: Die Liebe ist ein starker Hinweis darauf, dass es Gott gibt. Denn Liebe ist immer auch ein Wunder. Etwas, das wir letztlich nicht erklären können.

Gottes Liebe ist also nicht abstrakt, sie ist kein Selbstzweck. Sie soll uns zueinander führen. Und wenn wir in einer liebevollen Beziehung zu anderen Menschen leben, dann kommt Gottes Liebe zum Ziel. Dann ist sie vollständig. Dann erfüllt sie ihren Sinn.

Marcus Jelinek


© Advent-Verlag Lüneburg


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